Ein Schlepperboot durch die Città Mitteleuropea

Triest bietet nicht nur Literatur und Kaffehaus – sondern auch den interessantesten historischen Hafen Norditaliens und die komfortabelsten Marinas

Draußen weht die Bora, eine kalte Schwester des Föhns, eine eisige Fallwinddame, und sie kann den Golf von Triest im Winter gefährlich aufsprudeln. Die graufahlen Punkte im Meer sind Medusen, das bunte Patchwork ist die Stadt. Gehört sie nun eigentlich uns? Aus österreichischer Perspektive ist Triest eine durch ein ungnädiges Schicksal ausgelagerte Eichel unseres zerbröckelten Weltreichs. Immerhin stellte Triest zwischen 1382 und 1918 den Meereszugang der Habsburger dar, das ist schon ein gewisser Zeitraum. Ein Blick auf die Straßen genügt. Sieht es nicht aus wie daheim? Architektonisch könnte man „unsere“ Città Fedelissima (Ehrentitel; im Jahr 1848 blieb die Stadt brav) perfekt neben Wien stellen, was aber jammerschade wäre, denn wohin mit ihr, an den Neusiedlersee?
Der Willhaben-Gedanke juckt einen wohl jeden, der im territorialen Denken verhaftet ist und einen Ort, mit dem man durch Geschichte verbunden ist, schön findet. Eine staubige Eleganz ist die erste Eigenschaft der alten Dame an der Nordadria mit ihren 200.000 Einwohnern, der heute zweifelsfrei italienischen Hauptstadt von Friaul Julisch-Venetien, in deren Nacken der slowenische Karst hockt, von dem aus man alles überblicken kann. Am besten mit der Tram Triest-Opicina, die ihre steilste Stelle als Standseilbahn bewältigt, 348 Höhenmeter überwindend. Oben, beiderseits der Grenze, erstreckt sich eine harte Kalklandschaf mit Dolinen, Grotten und unterirdischen Flüssen. Die Produkte einer komplizierten, ertragsarmen Landwirtschaft, sind geschmacksintensiv und außergewöhnlich (Wein), der Blick auf die Küste raubt den Atem.
Viel geschrieben wurde über ihre Blüteepoche, die mit der österreichischen Gründerzeit zusammenfiel, und durch die Südbahn samt ihrem lokalen Südbahnhof einen wirkungsstarken Motor besaß. Der Güterweg der Welt mündete hier, versorgte Mitteleuropa, die mehr oder weniger stolze k.u.k Kriegsmarine lag im Josephshafen, heute Porto Nuovo. Nicht verschweigen darf der österreichische Triestfreund natürlich den 24-jährigen Guglielmo Oberdan (in der damals üblichen Germanisierung Wilhelm Oberdank), einem italienischen  Nationalhelden slowenischer Abstammung, dem es 1882 fast gelungen war, den Kaiser bei dessen einzigen Besuch in die Luft zu sprengen. Immerhin bestand die Bevölkerung damals aus drei Vierteln Italiener und nur 5% deutschsprachigen Einwohnern. Der Docht des Nationalismus brannte. Heute steht im Museo del Risorgimento ein „Sacrario“ für den alsbald am Strang gehängten Helden respektive Bösewicht), der fast den Lauf der Geschichte verändert hätte.

Eine historische Mole. Die Molo audace, ein Spaziergänger-Pier ohne Glücksspiel und Gastgarten aus der Zeit Maria Theresias, umbenannt nach den ersten italienischen Carabinieri-Einheiten, die hier landeten (November 1918), erstreckt sich die Piazza dell´Unità d´Italia bis zum Wasser. Vor genau hundert Jahren legten hier die Schiffe mit den Leichnamen von Franz Ferdinand und Sophie an, frisch aus Sarajevo – eine Volksmenge geleitete sie zum Südbahnhof, es war wohl der letzte wichtige Transport nach Österreich, ehe der Erste Weltkrieg die Beziehung kappte.
Zwischen der Mole und dem Einheitsplatz standen bis in die Zwanziger Jahre Bäume, heute herrscht freier Blick zum Hafen, an dem die Ruinen der Industrieproduktion des späten 19. Jahrhunderts stehen, die ersten Stahlbetonbauten und Lagerhäuser. Man weiß nicht so recht, ob man sich seine Renovierung wünschen soll – eine Waterfront wie in Kapstadt? – oder ob man den Blick auf den Verfall mit nostalgischen Gefühlen vorzieht? Durch diesen letzten großen europäischen Hafen, der von Elementen einer anderen Zeit geprägt ist, kreuzen die Rimorchiatori, Schlepperboote, vorbei an den Warenhäusern und Frigo-Hangars, die teilweise neu belebt werden, bis zur 7. Mole, wo heute der große Containerumsatz stattfindet. Neben der Ankunft chinesischer Produkte geht es um enorme Ölmengen, größtenteils für den Bedarf in Deutschland bestimmt, der europäischen Warenabnahmestelle Nummer 1, seit Wien in der weltpolitischen Bedeutungslosigkeit versunken ist. Dazu legen etwa 50 Kreuzfahrtsschiffe im Jahr an, und es ist zu befürchten (aus Sicht der der Hafenbetreiber zu hoffen), dass in Zukunft, wenn Venedig weiteren Einschränkungen unterliegt, ein größerer Zuwachs dieses Wirtschafszweigs zu erwarten ist, der nur Hafenbetreibern und Kleinsouvenirshops hilft.

Das Überwintern der Yachten. Es gibt mehr Menschen mit Segelschiffen und Yachten, als man denkt, inzwischen sind sie ein Wirtschaftsfaktor, ein ganzes ein Volk, das Triest vom Meer aus in Besitz nimmt. Nicht nur „die Reichen“ leisten sich einen Liegeplatz in einer der Marinas. Thomas F. aus Recklinghausen kommt seit vielen Jahren an die Molen im Golf von Triest: „Ich überwintere mein Segelschiff hier. Nichts gegen die Kroaten, aber hier ist es billiger und zuverlässiger, man hat hier oben nie das Gefühl, dass man abgezockt wird.“ Welche Art von Zuverlässigkeit ihm vorschwebt, macht er gleich klar: „Die Winde sind in der Nordadria schon sehr arg, aber hier kann ich sicher sein, dem Boot passiert nichts.“
Die spektakulärste Segelschiffbucht befindet sich innerhalb der Hafenmauern, die Marina San Giusta. Sie hat 230 Liegeplätze für Boote zwischen 8 und 20 Metern, und auch einige für längere Yachten, ein Mega-Yacht-Port befindet sich in Konstruktion. Das Boot von Thomas S. liegt jedoch auf der anderen Seite des Golfs, im Hafen des Städtchens San Rocco. Auf den ersten Blick fallen die grauen Wohnbauten aus den Sechzigerjahren im Hintergrund auf, die allesamt vom Ozean abgewandt sind. „Keine Fenster zum Meer hin, hieß es damals“, erklärt Thomas  R., „und das alles wegen der Bora! Die waren ja verrückt!“ Der Porto an Rocco ist gemütlicher und weniger superexklusiv als der im Stadtgebiet, hier am letzten Ausläufer Italiens haben 550 Boote Platz. Eine Bucht entfernt, jenseits der bewaldeten Hügel, liegt Slowenien, auf der anderen Seite die Kleinstadt Muggia, wo bis 1912 in der größten Werft der Monarchie die Schlachtschiffe der k. u. k. Kriegsmarine gebaut wurden.

Der Autor war unterwegs mit Unterstützung der Agenzia Turismo Friuli Venezia Giulia, dem Fremdenverkehrsamt Friaul Julisch Venetien – TurismoFVG, www.turismofvg.it, info@turismo.fvg.it, Tel.+39 0431 387130.

Triest, 15 Tipps

Hotel
Die historische Villa aus 1898 in Schönbrunnergelb, an der Küstenstraße beim Schloss Miramar, hat nach einem Relaunch neu eröffnet. Exotischer Garten. Und ein 29 Meter hoher Turmlift zum Strandbad, das eine Beach Lounge für die Hotelgäste hat.
Hotel Riviera & Maximilian´s, www.rivieramax.eu, Strada Costiera 22, Triest.

Hotel
Das Duchi d´Aosta gehört wie das Hotel Riviera der Familie Benvenuti und liegt direkt an der großen Piazza. Wunderbare Casanova-Suite, die eigentlich keine Suite ist, aber einen außerordentlichen Balkon hat. Und im übrigen ein Hotel, wie es kein zweites auf der Welt gibt.
Grand Hotel Duchi d'Aosta, www.duchi.eu, Piazza dell'Unità d'Italia, 2/1, Triest.

Café und Literatur
Grillparzer und Stifter waren hier, Rilke und Kafka soweiso, Italo Svevo ist der Lokalhero und James Joyce schrieb in seinem freiwilligen Exil in Triest große Teile des „Ulysses“ – und unterrichtete hier Englisch. Dahinter verbirgt sich eine raffinierte Kaffeehauskultur, das älteste ist das Cafè Tommaseo auf der gleichnamigen Piazza aus 1825, das berühmteste ist das Antico Caffè San Marco auf der Via Battisti.

Restaurant
Das Gassenlokal SaluMare wird von Chef Piero Anzellotti auch .„Fischlaboratorium“ genannt. Einzige Fischräucherei der Stadt, Fischhandlung daneben, dazu ein Feinschmeckerlokal mit frisch geräuchertem Stör, Lachs, Schwertfisch und Thunfisch. Geheimtipp: Die Sarde in Saor. Entspannte Lounge-Atmosphäre.
SaluMare il Laboratorio del Pesce, Via Cavana 13a, I-34124 Trieste, Dienstag bis Samstag 10.30 bis 14.30 Uhr und 17.30 bis 20.00 Uhr Tel. +39 040 3229743 www.salumare.com

Schokolade
Das Paradies für die Schokoladenliebhaber Triests heißt einfach nur Chocolat. Außerordentlicher Laden. Die Besitzerin macht nicht nur den Import der Schokobohnen – sondern eben alles.
Chocolateria Chocolat, Via Cavana 15b, I-34124 Triest

Museum
Das Museum des Krieges für den Frieden wurde von Diego de Henriquez gegründet, 1909 in Triest geboren und am 2. Mai 1974 unter ungeklärten Umständen verbrannt in einem Sarg, den er an Stelle eines Bettes zum Schlafen benutzte – inmitten seiner Sammelobjekte. Von der k&k-Kriegsmarine über die wohl größte nautische Sammlung Europas bis zu berühmter Filmdeko. Alles eben, was letztlich gegen den Krieg spricht.
Museo della Guerra per la Pace Diego de Henriquez, Via Cumano 22, Triest.

Champagner-Treff
Triests Schaumwein-Zentrale. Bollicine heißt „Perlen“. Champagner, Franciacorta und Prosecco, dazu kleine Happen .
Bollicine, Piazza San Antonio Nouvo 2°, Triest, Mo – Do 9 – 24 Uhr, Fr – Sa 9 – 2 Uhr www.lebollicine.net

Eisdiele
Schickste Gelato-Ausgabestelle der Stadt. Versteht sich als „Eis-Konditorei“, nicht jedermanns Geschmack, weil extrem innovativ (z.B. Mascarponeeis mit marinierten Erdbeeren und Balsamico-Essig).
Gelateria Jazzin, Via Mercato Vecchio, 1/D, Triest, Di bis So 11.00 bis 23.00 Uhr

Regatta.
Die Barcolana heißt nach dem Pinienhain-Vorort Barcola. Knapp vor dem Schloss Miramare, befindet sich die Startlinie der populären Regatta (seit 1969). Bei der auch Coppa d'Autunno (Herbstpokal) genannten Veranstaltung gewannen – wie bei den Päpsten – in den Anfangsjahren immer die Italiener, heute könnte die Veranstaltung nicht internationaler sein. Sie bringt jährlich eine Viertelmillion Besucher nach Triest. Damit ist sie die größte Regatta der Welt, natürlich auch das wichtigste Triestiner Event. 25.000 Sportler sind am Wasser. Dabei ist alles auf dem Segelsektor zugelassen, um am zweiten Oktobersonntag an den Start zu gehen, von den Segelprofis bis zu den blutigen Anfängern, von Olympiastars bis zu Familienbooten, Anmeldung genügt.

 

Möbel und Design
Francesca Martinelli bearbeitet am liebsten Möbel – Einzelstücke aus dem 20. Jahrhundert. Alte Sessel bunt lackiert, Regale, Kommoden und Blumenständer. Ab 100 Euro. Sortiment wechselt nahezu im Wochenrhythmus.
Katastrofa, Via Diaz 4, Triest, Mi–Sa 10.00–¬13.00 Uhr, 16.00–20.00 Uhr, www.katastrofa.it

Wohnungsbesichtigung
Die Casa Morpurgo ist eine 1875 konzipierte Wohnung, ist eine Zeitreise in die Welt des Triestiner Großbürgertums. 600 m², unrestauriert, vollkommen authentisch. Mit einer Nachttopf-Ausstellung im Sonderraum.
Museo Morpurgo di Trieste, Via Imbriani 5, 2. Stock, Triest. Dienstag und Sonntag 9 bis 13 Uhr, Eintritt € 4. www.museomorpurgo.it

Designer Pizza
Das Celestino gilt als Pizzeria wie aus dem Architekturjournal – mit einem Pizzaofen im Design eines Raumschiffs: Empfohlen werden die Scampi mit San Marzano-Tomaten, Jakobsmuscheln oder Burrata.
Celestino, Via Diaz 24, Triest.

Wein
Eine gute Stunde Fahrt ins Collio, wo es bei Livio Felluga die interessantesten Weine von Friaul-Julisch Venetien gibt: FellugaWinery, Via Risorgimento 1, I-34071 Brazzano - Cormòns (GO), www.liviofelluga.it, info@liviofelluga.it

Marinas.
Von San Rocco an der slowenischen Grenze bis zur Müdung der Tagliamento reichen die 130 Kilometer Küstenlinie von Friaul-Julisch Venezien mit 23 Marinas mit der größten Liegeplatzdichte des Mittelmeers mit einer Gesamtzahl von 15.000 für Boote aller Größen.
Marina Primero, Via Monfalcone, 14, I-34073 Grado, www.tenutaprimero.com, marina@tenutaprimero.com; Marina San Giorgio, Via E. Fermi, 2, I-133058 San Giorgio Di Nogaro, www.cantierimarina.it, cantierimarina@cantierimarina.it; Shipyard& Marina Sant'Andrea, Via E. Fermi, I-33058 San Giorgio di Nogaro, www.marinasantandrea.it, info@marinasantandrea.it; Marina Hannibal, Via Bagni Nuova 41, I-34074 Monfalcone (GO), www.marinahannibal.com, info@marinahannibal.com; Marina San Giusto, Molo Venezia, 1, I-34123 Trieste, www.marinasangiusto.it, info@marinasangiusto.it; Porto San Rocco, Strada per Lazzaretto, 2, I-34015 Muggia (Ts), www.portosanrocco.it, infoport1@portosanrocco.it.